von Daniel Käsler
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11 Juni, 2020
Seit nunmehr gut zwei Jahrzehnten heißt es in der digitalen Fototechnik höher, schneller, weiter oder besser gesagt, größer, schneller, lichtstärker. Alles beruht darauf dem Nutzer das fotografische Handwerk möglichst leicht und angenehm zu gestalten. Automatiken greifen ein wo sie nur können. Angefangen von ISO Automatiken, LiveView Modus, automatische Belichtungsreihen über Gesichtserkennung oder WiFi Konnektivität. Und das ist auch gut so, da es in vielerlei Hinsicht den alltäglichen Umgang mit der Fotokamera durchaus erleichtert und tolle Bildergebnisse liefern kann. Doch gleichzeitig überlädt es den Nutzer auch schnell mit einem Überangebot an technischen Möglichkeiten. Auf welche Funktion kommt es wirklich an und wo liegt eigentlich die Essenz der Fotografie fragt man sich. Denn eigentlich beruhen sowohl die neuesten Modelle der Digitalkameras als auch bspw. die Ur-Leica von Oscar Barnack auf dem gleichen Zusammenspiel von ISO, Blende und Verschlusszeit. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Fotografen die analoge Fotografie wieder zunehmend als echte Alternative in Betracht ziehen. Dabei geht es nicht darum, die Digitalfotografie als Ganzes zu ersetzen, sondern die analoge Fotografie für gezielte Einsatzzwecke neu in Betracht zu ziehen. Insbesondere im Bereich der Schwarzweiss-Fotografie und der künstlerischen Fotografie ist der klassische Film, egal ob Kleinbild, Mittel- oder Großformat absolut konkurrenzfähig. Dazu liefern analoge Kameras einen Charme von Nostalgie, Tradition und Entschleunigung. Wer mit einer Contax II Kamera aus den 1930er Jahren Aufnahmen macht, verspürt evtl. einen Hauch dessen, was Kriegsfotograf Robert Capa während der D-Day Invasion am Strand der Normandie im Jahr 1944 erlebte. So geschichtsträchtig muss es dabei jedoch nicht immer sein. Allein die alte Kamera der Großeltern, mit der bereits 1964 Aufnahmen am Nordseestrand entstanden bietet dieses wohlige Gefühl, dass durch diese Linsen bereits eine Vielzahl von Familienmitgliedern abgelichtet wurden. Allen analogen Kameras ist gemein, dass das Bildergebnis nicht direkt sichtbar ist, sondern erst ein relativ aufwendiger Entwicklungsprozess dazwischen liegt. Dieses Kribbeln in Erwartung des Bildergebnisses ist in Zeiten digitaler Fotografie beinah komplett abhanden gekommen und führt fast automatisch dazu, dass Fotografen sich wieder intensiver mit ihrem Fotomotiv auseinandersetzen. Anstatt „einfach draufzuhalten“, im Anschluss das Display begutachten und nochmals mit veränderten Parametern zu korrigieren wird ersetzt durch eine vorangestellte Begutachtung der gegebenen Licht- und Motivverhältnisse. Keine Frage ist die analoge Fotografie dabei nicht die Schnellste und Flexibelste. Die Vorteile liegen gerade in der Digitalfotografie in der enormen Geschwindigkeit passable Bildergebnisse bei unterschiedlichsten Lichtverhältnissen zu erzielen. Mal eben den Film wechseln ist nunmal um Längen umständlicher im Vergleich zum ISO-Einstellrad einer Digitalkamera. Foto-Puristen sind sich dessen jedoch absolut bewusst. Sie wählen bereits im Vorfeld eines Fotoprojekts sorgsam aus, welchen Film sie mit welcher Sensibilität in die Kamera einlegen. Sie bedenken dabei Lichtverhältnisse vor Ort, gewünschte Motive und technische Voraussetzungen ihrer Kamera. Sie verlangsamen bewusst den Prozess der Fotografie zu einem langsamen Walzer oder Blues Tanz. Analoge Fotografie versetzt den Fotografen in eine völlig neue/alte Welt der Fotografie. Vom Aufnahmeprozess über die Filmentwicklung bis zur Begutachtung der Bildergebnisse. Tradition, Nostalgie und das Erlebnis eines über 150 Jahre alten Handwerks ist eine neue Erfahrung für viele junge Fotografen. Zeit mal wieder eine Rolle Film einzulegen. Im Keller müsste noch Opas Kamera liegen.